In eigener Sache

Es gibt wieder mal Neuigkeiten von der Cancel Culture, die es ja eigentlicht nicht gibt. Dieses Mal betrifft es eine Bewerbung für einen Vortrag auf der SkepKon, der jährlichen Tagung der GWUP e.V., in der ich Mitglied bin. Der Clou an der Sache: die Absage hat nichts mit den Inhalten meines Vortrags zu tun. Aber von vorn.

Was ist passiert?

Die GWUP veröffentlichte letztes Jahr im Herbst einen Call for Abstracts, mit dem Beiträge für die SkepKon 2024 gesucht wurden. Eine dafür eingerichtete Kommission sollte über die eingereichten Bewerbungen entscheiden und daraus das Programm zusammenstellen. Auch ich reichte eine Bewerbung ein. Wie ich erfahren habe, wurde mein Vortrag von der Kommission angenommen, mein Abstract als interessant und überzeugend bewertet. Dennoch bekam ich eine Absage. Mir wurde unterstellt, ich sei ein Schwurbler, verbreite Verschwörungsideologien zu „Satanic Panic“. Zur Einordnung, falls das niemandem etwas sagt: dazu gehört auch „QAnon“. Das wurde an einigen Likes und Retweets von mir auf Twitter festgemacht. Zwei Vorstandsmitglieder, einer davon auch Mitglied der Auswahlkommission, sprachen mit mir darüber. Ich konnte ihnen gegenüber klarstellen, dass ich mitnichten etwas wie QAnon glaube, sondern es mir vielmehr um blinde Flecken in Subkulturen rund um BDSM, Satanismus und dergleichen geht. Ebenso geht es mir dort um Differenzierung, wo der Anschein erweckt wird, „False Memory“ sei öfter ein Problem in Traumatherapien. Dennoch beharrte die Mehrheit im Vorstand der GWUP auf der Ablehnung. Eine vernünftige, sachorientierte Klärung scheint meiner Wahrnehmung nach nicht ernsthaft erwünscht. Stattdessen wurden Beiträge zu „Satanic Panic“ im Rahmen der GWUP von einzelnen Mitgliedern zu diesem Thema als „GWUP-Meinung“ deklariert – ebenfalls von einzelnen Mitgliedern, denen wiederum andere widersprochen haben. Es gibt offenbar keine derartigen Beschlüsse, die mal eine Mitgliederversammlung durchlaufen hätten. Davon abgesehen, hielte ich es für Skeptiker auch unwürdig, so etwas wie eine „Vereinsmeinung“ zu haben. Eine Vereinsmeinung, die nachzuplappern wäre, verträgt sich nicht mit skeptischem Denken. So stehen aber jetzt abstruse Vorwürfe gegen mich im Raum, die ich nun juristisch klären lasse.

Übrigens: Neben meiner Bewerbung wurde noch eine zweite abgelehnt – die von Cornelius Courts. Auch bei ihm hatten die Gründe nichts mit dem Vortragsthema zu tun. Seine Darstellung sowie sein Abstract sind auf seinem Blog nachzulesen.

Tote Fische schwimmen mit dem Strom oder Skeptiker haben eine "Vereinsmeinung" (Foto: Michael und Diane Weidner)

Was sagen Mitglieder des GWUP-Vorstands und der Kommission?

André Sebastiani vom Vorstand hat mit mir über den Vorgang gesprochen – insbesondere auch über das Thema meines eigentlich geplanten Vortrags. 

In einem weiteren Video spricht André Sebastiani mit Christian Weymayr vom Wissenschaftsrat der GWUP, er war auch Mitglied der Programmkommission.

Mein Abstract

Trans – zwischen politischer Erregung und wissenschaftlicher Evidenz

Kaum ein anderes Thema polarisiert so sehr, wie der Komplex um Transgender/Transidentität/Transsexualität, abgekürzt als „Trans“. Besonders hitzig werden Auseinandersetzungen, wenn es um Gesetzesnovellen zur Erleichterung einer Änderung des amtlich dokumentierten Vornamens und Geschlechtseintrags geht. Auch die Frage, wie man am besten bei Minderjährigen mit Geschlechtsdysphorie – der aktuelle medizinische Begriff für ein tiefgreifendes Unwohlsein mit dem biologischen Geschlecht – umgehen sollte, sorgt für mitunter scharfen Disput.

Diese Auseinandersetzungen geschehen vor dem Hintergrund, dass innerhalb der letzten 20 Jahre ein Paradigmenwechsel vollzogen wurde. Wurde Trans zunächst in medizinischen Diagnostikhandbüchern unter „Transsexualismus“ und „Störungen der Geschlechtsidentität“ gefasst, hat sich das Verständnis von einer psychischen Störung hin zu einer gesunden Variante in der Vielfalt des menschlichen Seins gewandelt. Sofern medizinische Eingriffe (z.B. Hormontherapie und Operationen) nachgefragt werden, soll der Zugang zu diesen im Idealfall nicht durch eine Diagnostik, sondern durch Konsensfindung ermöglicht werden. So sehen es zumindest aktualisierte internationale und nationale Leitlinien vor. Dieser Ansatz wird auch als „gender-affirmativ“ bezeichnet.

Doch inzwischen haben einige europäische Länder (Schweden, Großbritannien, Finnland) gerade bei Minderjährigen eine Kehrtwende eingeleitet und setzen eine intensive psychotherapeutische Betreuung gerade bei dieser Gruppe wieder an die erste Stelle. Zuvor hatte sich über den gender-affirmativen Ansatz ein möglichst frühzeitiger Einsatz von Medikamenten verbreitet, die bei Minderjährigen die unerwünschte Pubertätsentwicklung hemmen sollen – sogenannte Pubertätsblocker. Maßgeblich für die Rücknahme dieser Entwicklungen waren Untersuchungen der Evidenzbasis für den gender-affirmativen Ansatz inklusive Pubertätsblockern, die diesem Ansatz wesentliche Lücken bescheinigten und damit ungeklärte Risiken für die Gesundheit.

Erschwert wird eine differenzierte Betrachtung durch die Polarisierung in der gesellschaftspolitischen Sphäre. Während Transaktivismus jedwede medizinisch begründete Zurückhaltung als transfeindliches „Gatekeeping“ betrachtet, nutzt die politische Rechte dies (insbesondere in den USA), um unter dem Vorwand des „Kinderschutzes“ das Transthema auch mit restriktiven Gesetzen  wieder aus der Öffentlichkeit zu drängen.

Dieser Vortrag will einen ersten Überblick geben und die Komplexität des Themas zugänglich machen.

Foto von Elena Mozhvilo auf Unsplash